LONDON (dpa-AFX) - In der Debatte um eine Reform der gemeinsamen Schuldenregeln in der EU schlägt Bundesbank-Präsident Joachim Nagel vor, die Überwachung der Staatsfinanzen an eine unabhängige Institution zu übertragen. "Denn durch eine "Entpolitisierung" des Überwachungsprozesses könnte die Compliance verbessert werden", sagte Nagel laut Redetext am Mittwoch in London. Als Beispiel für eine solche Institution nannte er den Euro-Rettungsschirm (ESM).
Derzeit wird über eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes der EU diskutiert, dessen bislang geltenden Regeln wurden wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine bis 2024 ausgesetzt. Im Kern sehen die Regeln vor, Schulden in den EU-Staaten auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und Haushaltsdefizite unter 3 Prozent zu halten.
Die EU-Kommission hatte im Frühjahr in ihrem Gesetzesvorschlag angeregt, hoch verschuldeten Ländern mehr Flexibilität beim Abbau von Schulden und Defiziten einzuräumen. Statt einheitlicher Vorgaben will sie auf individuelle Wege für jedes Land setzen, um Schulden und Defizite langfristig zu senken. Der Reformvorschlag der Kommission biete viel Interpretations- und Ermessensspielraum, kritisierte Nagel. "Und das droht die Bindungswirkung der Fiskalregeln noch weiter zu schwächen." Erforderlich seien "konkrete, nicht verhandelbare Mindeststandards", sagte der Bundesbank-Präsident./mar/DP/jsl