Großprojekt der EZB: Der digitale Euro soll kommen

 

Die Digitalisierung schreitet in vielen Lebensbereichen mit rasantem Tempo voran. So hat sich auch die Art und Weise gewandelt, wie wir bezahlen. Egal, ob mit der Karte oder dem Smartphone: In Deutschland wird vermehrt auf Bargeld verzichtet. Laut einer Umfrage des Bankenverbands greifen inzwischen rund 60 % der Menschen hierzulande auf Alternativen zum Bargeld zurück. Ein Großprojekt der Europäischen Zentralbank (EZB), das im Oktober starten soll, könnte diesen Trend weiter verstärken: Die EZB beginnt im Herbst mit einer 2-jährigen Testphase, um eine Einführung des digitalen Euro auszuloten. In der sogenannten Untersuchungsphase sollen zentrale Fragen rund um die Technologie, den Datenschutz und den Zeitpunkt der Einführung geklärt werden.

Zunächst bleibt festzuhalten, dass der Eintritt in die Untersuchungsphase keine Garantie dafür ist, dass der digitale Euro tatsächlich eingeführt wird. Aufgrund der Vielzahl an Vorteilen stehen die Zeichen aber gut, dass die digitale Ergänzung zum Bargeld kommen wird. Geht es nach EZB-Präsidentin Christine Lagarde, soll es in rund 5 Jahren so weit sein, also noch vor dem Ende ihrer Amtszeit. Aber warum will die EZB die digitale Währung überhaupt einführen und was wissen wir bisher über die Pläne?

Sicherheit für das Finanzsystem
Die EZB reagiert mit der geplanten Einführung des digitalen Euro auf zahlreiche neue Arten des Bezahlens. Während China und Schweden seit längerem an der Einführung einer digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency, CBDC) arbeiten, sind es vor allem die Kryptowährungen wie Bitcoin und Facebooks Diem, die die EZB unter Druck setzen. Um den europäischen Bürgern künftig eine sichere, stabile und digitale Alternative zum Bargeld anbieten zu können, will die EZB den Digital Euro – so der favorisierte Name – einführen. Doch wie soll das digitale Zentralbankgeld technisch umgesetzt werden?

Streitpunkt Technologie
Hier waren vor allem 2 Modelle in der Diskussion – eine zentrale Lösung in Form von Girokonten bei der Notenbank oder ein dezentrales System wie die Blockchain, die bspw. beim Bitcoin zum Einsatz kommt. Laut Italiens Notenbankchef und EZB-Ratsmitglied Ignazio Visco scheint die EZB eine zentrale Lösung anzuvisieren, die auf dem bestehenden Echtzeitüberweisungssystem Target Instant Payment Settlement (TIPS) basieren soll. Erste Tests in Kooperation mit der italienischen Notenbank haben schon stattgefunden. Auf diesem Wege könnten die Geschäftsbanken künftig die Kundenkonten treuhänderisch verwalten und die Wallets, in denen Kunden die digitalen Euros aufbewahren, vertreiben. Allerdings wird das Fassungsvermögen der Wallets wohl auf 3.000 Euro gedeckelt, da die EZB so einem sogenannten Bank Run, also dem schnellen Abzug der Einlagen seitens der Kunden, vorbeugen will.

Unabhängigkeit und Sicherheit für Kunden
Neben der Überführung des Geldbeutels in die Digitalität und dem sekundenschnellen Zahlen via QR-Code ist die Möglichkeit, künftig digital mit Zentralbankgeld bezahlen zu können, die wohl gravierendste Neuerung für Kunden. Das kann mehrere Vorteile mit sich bringen: Zum einen wären Kunden unabhängig von externen Zahlungsdienstleistern wie PayPal oder Apple Pay, zum anderen würde das Ausfallrisiko wegfallen, da es sich – anders als bei der Kartenzahlung – um europäisch verbrieftes Geld handelt. Das wird vor allem dann wichtig, wenn die Nutzung von Bargeld weiter abnimmt. Allerdings gibt es auch einen Nachteil: Die Anonymität, die beim analogen Zahlungsverkehr gewährleistet ist, könnte verloren gehen. Hier wird es vor allem auf die von der Notenbank angestrebten technischen Lösungen ankommen und ob beispielsweise kleine Transaktionen bis 100 Euro komplett anonymisiert werden.

Fazit
Ob der digitale Euro kommt, werden wir wohl frühestens nach Abschluss der Untersuchungsphase erfahren. Bis er schließlich eingeführt wird, würde es aber laut EZB mindestens noch bis 2026 dauern. Auf dem Weg dahin wird sich die EZB allerdings mit den drängenden Fragen nach Anonymität und Sicherheit, der künftigen Rolle der Geschäftsbanken und der technischen Umsetzung intensiv auseinandersetzen müssen, um Akzeptanz für das digitale Zentralbankgeld in der Bevölkerung zu gewinnen – und um die finanzwirtschaftliche Souveränität in Europa weiterhin gewährleisten zu können.