
Wechselseitige Auswirkungen
der US-Strafzölle auf China und
die USA – eine Betrachtung von
Andreas Lipkow vom 25.04.2025
Die Verhängung von US-Strafzöllen in Höhe von 145 Prozent auf chinesische Waren, die am 9. April 2025 von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump eingeführt wurde, markierte eine neue Eskalationsstufe im Handelskonflikt zwischen den USA und China. China reagierte prompt mit Gegenzöllen von 125 Prozent auf US-Importe, die am 12. April 2025 in Kraft traten. Diese Maßnahmen haben weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die beiden größten Volkswirtschaften der Welt, sondern auch für die globale Wirtschaft. Im Folgenden werde ich die potenziellen Auswirkungen, die Gefahren eines eskalierenden Handelskonflikts, betroffene Branchen, Zweit- und Drittrundeneffekte sowie potenzielle Gewinnerbranchen in den USA und China darstellen.
Wechselseitige Auswirkungen der Strafzölle
Die US-Strafzölle von 145 Prozent auf chinesische Waren betreffen ein breites Spektrum an Produkten, darunter Elektronik, Maschinen, Konsumgüter und Rohstoffe. Diese Zölle zielen darauf ab, das Handelsbilanzdefizit der USA mit China zu reduzieren, welches 2024 bei 295 Milliarden US-Dollar lag sowie die heimische Produktion zu stärken. Das Handelsbilanzdefizit mit China entspricht etwa 1 Prozent der US-Wirtschaftsleistung der USA. Allerdings führen die höheren Zölle zu erheblichen Kostensteigerungen für US-Importeure und den Konsumenten in den USA. Studien zeigen, dass bereits frühere Zollerhöhungen (z. B. 25 Prozent im Jahr 2018) die Preise für Konsumgüter in den USA um durchschnittlich 4,5 bis 6,5 Prozent ansteigen ließen. Haushalte mit niedrigem Einkommen waren besonders betroffen, da sie einen größeren Teil ihres Einkommens vor allem für Importprodukte ausgaben.
Chinas Gegenzölle von 125 Prozent auf US-Importe wie Agrarprodukte, Fahrzeuge und Technologie führen zu ähnlichen Effekten: Amerikanische Exporteure, insbesondere Landwirte, sehen sich mit einem massiven Rückgang der Nachfrage aus China konfrontiert, da die hohen Zölle ihre Produkte für den chinesischen Markt unerschwinglich machen. Laut einer Analyse der United Nations von 2019 führt der Handelskrieg zu höheren Produktionskosten, steigenden Verbraucherpreisen und finanziellen Schwierigkeiten für Landwirte in den USA, während in China das Wirtschaftswachstum und die industrielle Produktion nachlassen werden. Die Wechselwirkungen für beide Länder können beträchtliche Ausmaße erreichen und so z. B. Chinas avisierte BIP-Wachstum von 5 Prozent um ca. 0,6 bis 1 Prozent auf nur noch 4,4 bis 4 Prozent verlangsamen.
Darüber hinaus verstärken beide Maßnahmen die Unsicherheit in den globalen Lieferketten. Unternehmen, die auf chinesische Vorprodukte angewiesen sind, wie etwa deutsche Autobauer, leiden unter steigenden Kosten und Produktionsverzögerungen. Laut der Europäischen Handelskammer in Peking planen 17 Prozent der europäischen Firmen in China ihre Investitionen zurückzustellen. Und jedes zehnte Unternehmen erwägt eine Umsiedlung der Produktion, um Strafzöllen zu entgehen.
Gefahren eines eskalierenden Handelskriegs
Ein eskalierender Handelskrieg zwischen den USA und China birgt erhebliche Risiken für beide Länder und die Weltwirtschaft. Die Wirtschaftsleistung der USA und Chinas machen zusammen ca. 43 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus. Eine weitere Verschärfung des Konflikts könnte einige ernsthafte Gefahren mit sich bringen.
Mehrere Analysten warnen bereits vor einer möglichen globalen Rezession, da die hohen Zölle den Warenfluss zwischen den beiden Ländern erheblich beeinträchtigen. Ein Rückgang des Handelsvolumens könnte das globale Wirtschaftswachstum verlangsamen und Investitionen weltweit belasten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass ein anhaltender Handelskrieg das globale BIP-Wachstum erheblich dämpfen könnte. Kleinere Volkswirtschaften, wie z. B. Vietnam, Kambodscha oder auch Thailand würden besonders stark von einem Handelskrieg der beiden Wirtschaftsgroßmächte betroffen sein.
In den USA führen die Zölle zu höheren Preisen für Verbraucher, insbesondere bei Elektronik, Kleidung und Haushaltsgeräten, da viele dieser Produkte aus China importiert werden. Analysten erwarten eine steigende Inflation und ein schwächeres Wirtschaftswachstum, was die Gefahr einer Rezession erhöht. Auch wenn der US-Präsident nicht müde wird zu betonen, dass dies nur vorübergehende Effekte seien, stellt der potenzielle Konjunkturrückgang in den kommenden Quartalen eine große Herausforderung für die amerikanische Mittelschicht dar. In China könnten die Gegenzölle die Nachfrage nach heimischen Produkten ankurbeln, jedoch zu Lasten der Exportwirtschaft, die stark von den USA abhängig ist.
Die Globalisierung der letzten 30 Jahre hat Lieferketten eng miteinander verknüpft. Ein Handelskrieg führt zu einer Umlenkung von Handelsströmen, beispielsweise nach Vietnam oder Mexiko, die als Ersatzlieferanten für chinesische Waren in die USA agieren. Diese neuen Lieferketten sind jedoch oft ineffizienter und teurer, was die Produktionskosten weltweit erhöhen kann. Die USA haben bereits im Vorfeld eine Verlagerung von Strafzöllen auf potenzielle Drittländer eingeplant und damit vom Strafzoll-Kausalgefüge isoliert. Zudem besteht latent die Gefahr einer wirtschaftlichen „Entkopplung“ zwischen den USA und China, was langfristig die globale Handelsordnung destabilisieren könnte.
Der Handelskrieg könnte sich auf geopolitische Konflikte ausweiten, etwa im Südchinesischen Meer oder in Taiwan. Ein größerer Konflikt zwischen den Atommächten USA und China könnte laut Henry Kissinger „Opfer und Umwälzungen“ verursachen, die nicht kalkulierbar sind. Wenn sich der Handelskrieg weiterentwickelt, können sich die Protagonisten dazu hingerissen fühlen, ihre bisherigen Expansionspläne weiter zu verfolgen, was China zu einer Agitation gegenüber Taiwan und die USA wohl zu anderen Vorgehensweisen drängen würde.
China plant 2025 sechs Millionen Elektrofahrzeuge zu exportieren, jedoch kaum in die USA. Diese Exporte könnten verstärkt nach Europa fließen, was dort einen „China-Schock“ auslösen und die heimische Industrie unter Druck setzen könnte. Das Umlenken dieser Überkapazitäten wirkt sich negativ auf die Preisentwicklungen bei den europäischen Automotive-Unternehmen aus und drängt diese weiter in die Ecke.
Potenzielle Auswirkungen auf die globale Wirtschaft
Die Auswirkungen des Handelskriegs gehen weit über die USA und China hinaus. Es lässt sich bereits jetzt feststellen, dass der Paradigmenwechsel in der globalen Handelsstruktur langanhaltende und nachhaltige Veränderungen bringen wird.
Ein verlangsamtes Wachstum in den USA und China hätte dominoartige Effekte auf andere Länder. Länder, die stark von Exporten abhängig sind: Deutschland könnten unter sinkenden Aufträgen leiden – ein Viertel der Pharmaexporte gehen in die USA, damit ist die Branche besonders gefährdet. Genauso wie die Automobilindustrie und der Maschinenbau.
Die Volatilität an den globalen Börsen ist seit der Ankündigung der Zollerhöhungen gestiegen. Der S&P 500 verzeichnete Schwankungen, die an die Finanzkrise von 2008 erinnern. Analysten warnen vor einem „monströsen Bärenmarkt“, der Investitionen weiter lähmen könnte. Aber nicht nur die Investitionstätigkeiten werden gelähmt, sondern auch das Kreditgeschäft der Banken steht unter einer nennenswerten Bewährungsprobe.
Länder wie Vietnam und Mexiko könnten von der Umlenkung des Handels profitieren, da sie chinesische Lieferungen in die USA ersetzen. Zwischen 2017 und 2020 stieg der Anteil Vietnams an den US-Importen sprunghaft an, während der Anteil Chinas sank. Diese Verschiebungen könnten jedoch langfristig zu neuen Abhängigkeiten führen und neue Dispute im Außenhandel mit den USA zur Folge haben.
In Europa könnten billige chinesische Produkte, die aufgrund der US-Zölle umgeleitet werden, den Markt überschwemmen und heimische Produzenten unter Druck setzen. Dies könnte zu einer Deindustrialisierung und deflationären Preistendenzen in Europa führen, wie Analysten des Mercator-Instituts warnen.
Direkt betroffene Branchen
Doch welche Branchen werden durch die Strafzölle und Gegenzölle besonders hart getroffen?
Ganz vorne stehen die Elektronik und High-Technologie. In den USA wären Computer, Telekommunikationsausrüstung und Haushaltsgeräte von den Zöllen betroffen, da die USA hier stark von chinesischen Importen abhängig sind. China wiederum wird durch US-Exportkontrollen bei Halbleitern und AI-Technologien eingeschränkt. Das haben die USA bereits erkannt und am vergangenen Wochenende Ausnahmen für diese Branchen und Produkte vorgenommen. Dieser Bereich ist die Achillesferse der amerikanischen Wirtschaft und könnte insbesondere von der chinesischen Regierung gezielt ins Visier genommen werden.
Die Automobilindustrie stellt insbesondere in Deutschland eine der wichtigsten Schlüsselindustrien dar und hat insgesamt ca. 770.000 Beschäftigte. Deutsche Autobauer, die Fahrzeuge in den USA und China produzieren, leiden unter gestörten Lieferketten und steigenden Kosten. In China, wo VW und BMW 30 - 35 Prozent ihres Geschäfts machen, könnten Gegenzölle den Absatz weiter erschweren und harte Konsequenzen für die Stammwerke in Deutschland haben.
Die US-Landwirte, insbesondere Sojabohnen- und Schweinefleischproduzenten, sind von den chinesischen Gegenzöllen stark betroffen. Der Exportmarkt China ist für sie praktisch zusammengebrochen. Die chinesische Regierung hat gleich von Beginn an den wichtigen Wirtschaftsbereich unter Beschuss genommen. Der US-Agrarsektor gilt als ein wichtiger Bestandteil des US-Jobmotors und beschäftigt viele Saisonarbeiter.
Die Konsumgüterindustrie gilt bereits jetzt als eindeutiger Verlierer des Strafzolldilemmas. In den USA steigen die Preise für Kleidung, Spielzeug und andere Konsumgüter, die aus China importiert werden, erheblich. In China könnten ähnliche Effekte bei US-Importen wie Whisky oder Autos auftreten. Der Konsum ist bereits in den vergangenen Jahren stark rückläufig gewesen und könnte nun noch weiter ausgebremst werden. Die Folgen für die großen Konsumgüter- und Handelskonzerne wären verheerend.
Zweit- und Drittrundeneffekte
Es gibt neben den direkten Effekten auch sogenannte Zweitrundeneffekte. Unternehmen in Drittländern, die in globale Wertschöpfungsketten eingebunden sind, leiden unter Produktionsverzögerungen und steigenden Kosten. Beispielsweise könnten europäische Firmen, die Vorprodukte aus China beziehen, ihre Produktionskosten nicht mehr decken und Marktanteile verlieren.
Natürlich gibt es in der weiteren Betrachtung auch die sogenannten Drittrundeneffekte. Denn die Unsicherheit durch den Handelskrieg dämpft Investitionen weltweit. Unternehmen halten sich mit Expansionsplänen zurück, was das globale Wirtschaftswachstum weiter bremst. Zudem könnten Wechselkursanpassungen, wie eine Abwertung des Yuan, den Handelskonflikt verschärfen, da andere Länder durch günstigere chinesische Produkte Marktanteile verlieren. Die Strafzollausweitungen treffen zunehmend Länder, die direkt keinen großen Handelseinfluss im Handelsstreit mit den USA haben, jedoch teilweise hundertprozentige Abhängigkeiten zu den Handelsbeziehungen mit den USA aufgebaut haben. Ob das z. B. Vanilleexporte aus Madagaskar betreffen oder Textilprodukte aus Vietnam.
Mögliche Gewinnerbranchen
Wo Schatten ist, muss auch Licht sein und so gibt es, trotz der negativen Folgen, Sektoren, die vom Handelskrieg profitieren könnten.
In den USA könnte die heimische Produktion bzw. große Teile der Binnenkonjunktur von dem Handelsprotektionismus der USA profitieren. Branchen wie Stahl und Aluminium, die durch die Zölle geschützt werden, könnten kurzfristig wachsen. Studien zufolge hat die US-Wirtschaft bereits 2018 von den Zöllen profitiert, mit einem Gesamtnutzen von 18,4 Milliarden US-Dollar. Es ist derzeit kaum abzuschätzen, wie sich die potenzielle Konsumzurückhaltung auch auf diese Branchen auswirkt, jedoch sind Parallelen zu den Wirtschaftsjahren 2017/2018 erkennbar.
Aktuell kaum vorstellbar, aber auch in der deutschen Technologiebranche, speziell im Bereich der Cloud-Dienste, gibt es einige Anbieter, die von den US-Strafzöllen profitieren. Deutsche Cloud-Anbieter wie Nextcloud verzeichnen einen Boom, da Unternehmen von US-Produkten wie Microsoft weggehen, um Strafzöllen zu entgehen.
In China gelten die Hochtechnologiesektoren als klare Gewinner der aktuellen Entwicklungen. China könnte durch den Fokus auf Autarkie und Programme wie „Made in China 2025“ in Bereichen wie KI und 5G gestärkt werden. Die Entwicklung von DeepSeek, einer kostengünstigen KI, zeigt Chinas Fortschritte. Die großen chinesischen Technologiekonzerne wie Alibaba, Tencent und Xiaomi sind im internationalen Vergleich bereits in den Spitzengruppen der großen Technologiekonzerne aufgestiegen. Es wäre ein Fehler diese Marktpositionierungen und Innovationskraft zu unterschätzen. Auch für Investoren stellen sich die Unternehmen im internationalen Vergleich als vergleichsweise günstig bewertet dar. Zudem werden chinesische Konsumgüterhersteller von einer gesteigerten heimischen Nachfrage profitieren, da US-Importe teurer werden. Das stärkt den chinesischen Binnenmarkt weiter und stützt die Pläne der chinesischen Regierung zur Stärkung der heimischen Wirtschaft.
Länder wie Vietnam und Mexiko könnten als Ersatzlieferanten für die USA profitieren. Die ASEAN-Staaten könnten ihre Rolle in globalen Lieferketten ausbauen, insbesondere bei der Produktion von Endprodukten. Es muss sich jedoch in den kommenden 90 Tagen zeigen, wie stark diese Länder von den USA in die Strafzollzange genommen werden. Ob diese Länder als klare Gewinner hervorgehen werden, steht derzeit noch zur Disposition.
Fazit
Es bleibt grundsätzlich festzustellen, dass die US-Strafzölle von 145 Prozent auf chinesische Waren und die chinesischen Gegenzölle von 125 Prozent, weitreichende Auswirkungen auf beide Länder und die globale Wirtschaft haben werden. Sie erhöhen die Preise, stören Lieferketten und bedrohen das globale Wirtschaftswachstum – mit der Gefahr einer Rezession und geopolitischer Spannungen. Direkt betroffene Branchen wie Elektronik, Automobil und Agrarprodukte leiden am stärksten, während Zweit- und Drittrundeneffekte die Unsicherheit und Inflation weltweit verstärken. Dennoch könnten heimische Industrien in den USA, technologieorientierte Sektoren in China und Länder wie Vietnam als Gewinner hervorgehen. Eine Deeskalation durch Verhandlungen und multilaterale Lösungen, wie sie die EU vorschlägt, wären dringend notwendig, um die negativen Folgen zu begrenzen. Ohne Kompromiss droht eine weitere Verschärfung mit unabsehbaren Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Für Investoren ist es aktuell eine ideale Zeit, um Watchlisten aufzubauen und günstig bewertete Unternehmen aus den USA, Europa und China herauszufiltern. Politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine. Dieses Mal werden diese kurzen Beine jedoch einen Marathon laufen, aber in absehbarer Zeit werden sich auch diese Wogen geglättet haben. Dann sollte jedem Anleger bewusst sein, welche Unternehmen als Gewinner und gestärkt aus dieser Krisenzeit hervorgegangen sind.
Disclaimer: Der Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich Ihre selbständige Anlageentscheidung erleichtern und ersetzt keine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die Information stellt keine unabhängige Finanzanalyse dar und unterliegt keinem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen.